Osteochondrosis dissecans

Bitte keine Mäuse im Gelenk!

Erkrankungen des Bewegungsapparates beim Junghund, Teil 4

Die Osteochondrosis dissecans, kurz OCD, ist eine Gelenkerkrankung, die überwiegend bei schnell wachsenden mittel- oder großwüchsigen Hunden bzw. mittelgroßen oder großen Hunderassen im Junghundalter auftritt. In der Regel macht sich die Erkrankung durch Lahmheit bemerkbar.

Bei der OCD handelt es sich um eine multifaktorielle Erkrankung. Vielfach wird von einer genetischen Prädisposition ausgegangen, zumal bei bestimmten Rassen eine Häufung der Erkrankung zu beobachten ist.

  • Rhodesian Ridgeback
  • Deutsche Dogge
  • Deutscher und Belgischer Schäferhund
  • Boxer
  • Neufundländer
  • Rottweiler
  • Labrador Retriever und Golden Retriever.

Allerdings scheinen andere Faktoren die Erkrankung zu begünstigen: So haben ein hoher Energiegehalt des Futters, unausgewogene Gehalte an Kalzium, Phosphat und Vitamin D sowie hormonelle Imbalancen ebenso wie Traumata und Durchblutungsstörungen im Bereich des knorpelig angelegten Endes eines Röhrenknochengelenks, den Epiphysen, einen Einfluss auf die Entstehung einer OCD haben.

In den meisten Fällen erkranken die Hunde meist zwischen dem vierten und siebten Lebensmonat. Auch wenn sich die Lahmheit oftmals nur einseitig zeigt, tritt die OCD häufig beidseitig auf. Rüden sind häufiger betroffen als Hündinnen.

Welche Gelenke können betroffen sein und wie zeigt sich das?

Bei der OCD sind immer die Gelenke betroffen, die besonders intensiv belastet werden. Daher tritt diese Erkrankung überdurchschnittlich häufig im Schultergelenk des jungen Hundes auf. Doch auch Ellenbogen, Knie und Sprunggelenk können betroffen sein.

Sollten bei einem jungen Hund einzelne oder mehrere der folgenden Symptome auftreten, könnten das Anzeichen einer OCD sein:

  • Lahmheit
  • wenig Lust auf Bewegung
  • Meidung von Bewegungen
  • wackeliger Gang
  • angeschwollene Gelenke



Wie entsteht eine OCD?

Im Rahmen der Skelettentwicklung werden bei einem gesunden Hund die Knorpelzellen mit zunehmendem Größenwachstum durch Einlagerung von Mineralen wie Calcium und Phosphor zu Knochen umgewandelt. Bei einer OCD ist dieser Vorgang gestört, was zur Folge hat, dass der Gelenkknorpel weiter wächst und immer dicker wird. Knorpel wird aber – im Gegensatz zu Knochen – nicht über Blutgefäße versorgt, sondern erhält seine Nährstoffe aus der umgebenden Gelenkflüssigkeit. Bei zunehmender Knorpeldicke reicht diese Art der Versorgung allerdings nicht mehr aus und die untersorgten Knorpelzellen sterben ab.

Da sich der Hund natürlich weiterhin bewegt, entstehen kleinste Zwischenräume zwischen Knochen und Knorpelschicht. Mit fortschreitender Erkrankung lösen sich dann Stücke des abgestorbenen Knorpels ab. Die als „Gelenkmäuse“ bezeichneten Fragmente bewegen sich dann frei innerhalb der Gelenkkapsel und verursachen schmerzhafte Entzündungen im Gelenk. Unbehandelt entwickeln sich so vergleichsweise zügig Arthrosen.

Anzeichen für eine OCD

Je früher eine OCD erkannt wird, desto besser lässt sich die Erkrankung konservativ behandeln. Allerdings sollte die Behandlung dann möglichst beginnen, bevor das Tier Symptome zeigt. Und genau hier liegt die Crux, denn ein Hundehalter reagiert verständlicherweise erst, wenn Symptome wie Bewegungsunlust, Lahmheit oder gar Gelenkschwellungen erkennbar sind. Zu diesem Zeitpunkt finden sich dann allerdings in der Regel bereits freie Knorpelstücke in den betroffenen Gelenkkapseln.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Besteht der Verdacht, dass ein Hund an einer OCD erkrankt sein könnte, ist der Gang zum Tierarzt ein Muss. Dieser wird zur Absicherung der Verdachtsdiagnose Röntgenaufnahmen des betroffenen Gelenks machen bzw. gleich beide Gliedmaßen entsprechend untersuchen. Gegebenenfalls kann für eine genauere Absicherung oder Einschätzung des Erkrankungsstadiums auch eine MRT-Untersuchung durchgeführt werden.

Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es?

Befindet sich die OCD noch in einem sehr frühen Stadium, wird in der Regel eine konservative Therapieweise gewählt. Diese besteht aus der Gabe entzündungshemmender Medikamente sowie einer Analyse und Anpassung der Futterzusammensetzung und der Ruhigstellung des oder der betroffenen Gelenke. Letztere muss konsequent über einen längeren Zeitraum von mindestens drei Monaten eingehalten werden, auch wenn sich dies natürlich mit einem jungen Hund schwierig darstellt.

Physiotherapeutische Maßnahmen, beispielsweise isometrisches Training oder passives Bewegen, können in diesem Zeitraum parallel durchgeführt werden, um den Abbau der Muskulatur durch die Bewegungseinschränkung möglichst gering zu halten.

Natürlich bekommt der betroffene Hund auch etwas gegen die Schmerzen, die die Erkrankung mit sich bringt. Allerdings hat die Schmerzfreiheit den Nachteil, dass der Hund sich wieder mehr bewegt bzw. bewegen möchte, anstatt sich bzw. das Gelenk zu schonen.

Die auf dem Röntgenbild bereits „Gelenkmäuse“ sichtbar, hilft nur noch ein operativer Eingriff. Die Knorpelfragmente müssen aus der Gelenkkapsel entfernt werden. Auch wird im Rahmen der OP der Knochen vorsichtig geglättet, um die Ausheilung des Knorpelschadens anzuregen. Im Anschluss an die Operation muss der Hund für mehrere Wochen ruhig gestellt werden. Durch gezielte physiotherapeutische Maßnahmen kann einem Muskelabbau vorgebeugt werden.

Ist der Hund nach Abschluss der Therapie wieder gesund?

Diese Frage lässt sich nicht einfach mit JA oder NEIN beantworten. Ob ein Hund nach erfolgter konsequent vollzogener Therapie einer OCD schmerzfrei bleibt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  1. vom Schweregrad der Erkrankung zum Zeitpunkt der Behandlung:
    Je eher, desto besser!
  2. davon, welches Gelenk betroffen ist:
    So hat ein chirurgisch versorgtes Schultergelenk beispielsweise eine gute Prognose. Bei anderen Gelenken wie Knie- oder Sprunggelenk oder auch dem Ellbogen wird oftmals die Erkrankung erst recht spät diagnostiziert. Unabhängig davon, ob dann eine konservative oder eine chirurgische Therapie erfolgt, läuft es in den meisten Fällen auf eine lebenslange Behandlung hinaus.

Allerdings sollte sich jeder betroffene Tierbesitzer vor Augen führen, wie viel er selbst zugunsten eines möglichst langen, schmerzfreien Lebens für seinen Hund tun kann. Durch eine angepasste Lebensweise, ein waches Auge auf Veränderungen des Bewegungsapparates bzw. -ablaufs, gezielte spielerische Übungen und eine entsprechende zügige Intervention bei Lahmheiten durch Lösen von Blockaden, Schmerzreduzierung und Entzündungshemmung können dem Hund ein erfülltes Leben mit Spaß und Freude ermöglichen. Der Einsatz eines Hundes mit einer OCD als Gebrauchshund einzusetzen oder im engagierten Hundesport ist allerdings keine sinnvolle Option.

Wie sieht es in Sachen Vorbeugung aus?

Wie beschreiben, gibt es neben der genetischen Prädisposition weitere Faktoren, die zur Entstehung einer OCD führen können oder diese zumindest begünstigen. An dieser Stelle hat der Hundebesitzer die Möglichkeit einer Auslöserminimierung.

Wer einen Hund hat, der theoretisch zur Gruppe oder Rasse der betroffenen Hunde zählen könnte, der hat folgende Möglichkeiten. Möglichst unterlassen werden sollten:

  • abrupte Richtungswechsel aus dem schnellen Lauf heraus
  • blitzartiges Abbremsen
  • Sprünge aus/über großer Höhe(n)
  • regelmäßiges Treppensteigen

Neben diesen Aspekten aus dem Bereich der Bewegung ist natürlich eine angepasste Ernährung wichtig für die gesunde Entwicklung des Skeletts.


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