Manchmal ist es wichtig, diagnostisch um die Ecke zu denken. Oder besser: von vorne nach hinten!
Lahmheiten der Vordergliedmaße sind diagnostisch eine echte Herausforderung für Therapeuten, denn es gibt sehr viele Strukturen, die als Ursache in Frage kommen können. Vorrangig sind hier die häufigsten Erkrankungen der Vorderhand zu bedenken: die Ellenbogendysplasie (in ihren verschiedenen Formen), arthrotische Veränderungen der Gelenke, beim Junghund eine OCD der Schulter, aber natürlich auch Entzündungen von Sehnen und Bänder- oder Muskelverletzungen. Nicht immer lässt sich schnell und einfach eine Ursache finden, und am effektivsten ist es, den Tierarzt, bestenfalls einen orthopädisch tätigen, für die Diagnostik einschließlich bildgebender Verfahren ebenfalls zu Rate zu ziehen.
Immer wieder kommt es allerdings zu der Situation, dass anscheinend vorne alles gut ist, der Hund aber trotzdem weiterhin lahmt. Das mag paradox klingen, ist es allerdings nur so lange, bis genauer hingeschaut wird. Ein extrem wichtiges diagnostisches Mittel ist hier die Gangbildanalyse. Eine genaue Betrachtung der Bewegung des Hundes in den verschiedenen Gangarten ist daher oftmals sehr aufschlussreich, denn – und an dieser Stelle ist das „um die Ecke Denken“ gefragt – hat eine Lahmheit der Vordergliedmaße ihren Ursprung deutlich weiter hinten, nämlich im Bereich der Hüfte.
Um zu verstehen, wie es dazu kommen kann, ist ein Blick auf den Bewegungsapparat des Hundes und die Funktionen der verschiedenen Bereiche wichtig. Kurz gesagt: hinten ist der Antrieb, vorne die Dämpfung. 60 Prozent der Last trägt ein Hund in Normalfall vorne und nur 40 hinten. Genau für diese Belastung ist die Anatomie des Hundes optimal ausgelegt. Hat ein Hund allerdings eine Erkrankung der Hüfte oder im Bereich der Hinterläufe und schont diese Körperbereiche, verlagert er automatisch mehr Gewicht nach vorne. So entsteht im Bereich von Vorderläufen und Schultern eine Überlastungssymptomatik, die ein Lahmen zur Folge haben kann.