Wie eng die Verbindung zwischen Nervensystem und Muskulatur ist, haben zahlreiche Studien eindeutig belegt: Aufbau von Muskulatur funktioniert schlecht bis gar nicht, wenn das Nervensystem ein Problem hat. Andersherum ist auch belegt, dass Muskeltraining die Signalübertragung des Nervensystems verbessert.
In der Verbindung der beiden Systeme, Muskulatur und Nervensystem ist auch die Ursache zu sehen, warum es Tieren mit neurologischen Erkrankungen (Bandscheibenvorfall, Spondylosen, Cauda-Equina-Kompressionssyndrom und andere), aber auch bei alten Tieren so schwer ist, Muskulatur zu erhalten und möglichst auch wieder zu stärken: Die Nervenimpulsweiterleitung ist gestört.
Aus der Erkenntnis, dass über die gegenseitige Bedeutung beider Systeme, lassen sich zwei wichtige Ableitungen ziehen:
1. Um unsere Hunde gesund und mobil zu halten, ist es notwendig, dass sie ihre Muskulatur möglichst vielfältig und umfänglich gebrauchen. Dies kann in Form der verschiedensten Hundesportarten erfolgen oder natürlich auch in Eigenregie. Wichtig ist nur, dass es erfolgt.
2. Damit das Nervensystem unserer Hunde ein Leben lang einsatzfähig und leistungsstark ist, ist Sensomotorik ein wichtiges Stichwort. Hier geht es um das Zusammenspiel zwischen der Aufnahme und Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen sowie der Reaktion der Muskulatur und des Bewegungsapparats auf die Wahrnehmung. Auch an dieser Stelle ist Training möglich und sinnvoll.
Muskelabbau durch Nicht-Benutzung und das Älterwerden
Wie Menschen verlieren auch Hunde mit zunehmendem Alter Muskelmasse. Unter dem Mikroskop betrachtet verkleinern sich die einzelnen Muskelzellen, sodass sich in Folge die Muskeldicke verringert. Das ist ein physiologischer Vorgang. Daraus darf allerdings nicht abgeleitet werden, dass Training dann wohl sinnlos ist. Viel eher ist das Gegenteil der Fall. Je weniger die Muskeln gebraucht werden, desto schneller schreitet dieser Prozess voran. Das trifft grundsätzlich auf jedes Alter zu. Mit fortschreitendem Alter kommt aber eben noch die normale Veränderung erschwerend hinzu und ist auch generalisiert, also betrifft alle Muskeln des Körpers.
Anders als im Alter kommt es zum lokalen Abbau von Muskeln, wenn sich der Hund beispielsweise verletzt oder an einer Erkrankung des Bewegungsapparates leidet.
Wichtig zu wissen ist, egal ob Alter, Verletzung oder Erkrankung ursächlich sind, dass Muskeln viel langsamer auf- und deutlich schneller abgebaut werden.
Probleme der Nervenfunktion führen zwangsläufig zu muskulären Problemen
An dieser Stelle komme ich zurück auf ein bereits oben erwähntes Stichwort, nämlich die Sensomotorik.
Ein sensomotorisches Training ist ein Training, bei dem es um Koordination geht und das zur Verbesserung von Bewegungsabläufen führt. Ein wichtiger Bestandteil des sensomotorischen Systems ist die Propriozeption. Sogenannte Propriozeptoren, die sich überall im Bereich des Bewegungsapparates befinden, teilen dem Gehirn mit, in welcher Stellung sich ein Gelenk, ein Körperteil gerade befindet. Die Propriozeption zu fördern ist bereits im Welpenalter wichtig, da sich das Risiko von Verletzungen durch ein gutes Propriozeptionssystem deutlich verringert. Auch im Rahmen einer Rehabilitation, z. B. nach einer Operation oder nach Verletzungen, ist das Training der Propriozeption sehr wichtig, da oftmals die Rezeptoren gestört sind und der Hund somit über keine gutes Körpergefühl mehr verfügt.
Folgende Symptome können auf eine Reizleitungsschwäche der Nerven hinweisen:
• Gleichgewichtsprobleme
• Probleme bei der Koordination
• Überköten (Pfotenschleifen)
• Abbau der Muskulatur
• Einknicken bzw. Wegsacken der Hinterhand
• Inkontinenz
Überprüft doch mal, wie es bei Deinem Hund um die Nervenfunktion bestellt ist. Mit ein paar einfachen Test lässt sich – zumindest im Groben – schon ein Eindruck gewinnen:
- Kneift Eure Hunde mal in den Zehenzwischenräumen ein wenig? Sind die Reaktionen aller Pfötchen gleich oder ähnlich?
- Wie lange dauert es, bis Euer Hund bei Überkötung die Pfotenstellung korrigiert.
Für weitere Tests empfehle ich, dieses Video der Thieme Gruppe auf YouTube mal anzuschauen: Neurologischer Untersuchungsgang: Haltungs- und Stellreaktionen
Dieses Video soll keinesfalls die Aufforderung sein, alles mit dem eigenen Hund auszuprobieren. Es geht nur darum, mal anschauen, was veterinärmedizinisch in diesem Zusammenhang alles getestet wird.
Maßnahmen zur Stärkung der Nervenfunktion
• Ausstreichen der Zehenzwischenräume mit den Fingern
• Ausstreichen der Pfoten mit einer weichen Bürste
• stimulierende Massagen mit einem Igelball oder einem Gummistriegel
• Bewegung auf möglichst vielen unterschiedlichen Oberflächen (Kiesel, Wiese u.a. Outdoorgegebenheiten, auch Kokosmatten oder Struktur- oder Sensorikmatten)
– Ausstreichen der Zehenzwischenräume mit den Fingern
Doch grundsätzlich sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass die Muskulatur und das Nervensystem eng miteinander zusammenhängen. Soll die Muskulatur eines Hundes aufgebaut werden, darf der Blick auf die Reizleitung nicht fehlen.