Getreide im Hundefutter hat in den letzten Jahren einen schlechten Ruf bekommen. Auf unzähligen Futtermitteln stehen Schlagworte wie „getreidefrei“, „grainfree“ oder „frei von Getreide“. Vielfach weisen Hersteller von getreidefreien Futtermitteln darauf hin, dass Getreide nur ein billiger Füllstoff, Futter mit Getreide daher minderwertig sei. Als zweiten Grund dafür, dass angeblich Getreide nicht in Hundefutter gehört, wird die Abstammung des Hundes vom Wolf genannt. Daher könne der Hund Getreide als Energieträger überhaupt nicht verwerten. Dass der Wolf Getreide ursprünglich auch nicht aufgenommen habe, ist der korrekte Teil dieser Aussage. Die Ableitung, dass dies daher auch auf den Hund zutreffen würde, ist falsch. Unsere Haushunde haben sich sowohl in ihrem Verhalten, als auch in ihren Ernährungsgewohnheiten über viele Jahrhunderte an uns Menschen angepasst und sind inzwischen sehr wohl in der Lage, Getreide zu verwerten.
Stärketräger Getreide
Bei Getreiden handelt es sich um Süßgräser, deren Samen, reif geerntet und in der Regel zu Mehl vermahlen werden, um so als Zutat von Nahrungsmitteln eingesetzt zu werden. Grundsätzlich handelt es sich bei allen Getreidearten als eine hervorragende Energiequelle, die neben der enthaltenen Stärke noch zahlreiche weitere wertvolle Nährstoffe beinhalten. Stärke ist ein Mehrfachzucker, auch Polysaccharid genannt, und zählt damit zu den Kohlenhydraten.
Isst ein Mensch ein getreidehaltiges Lebensmittel, startet der Verdauungsprozess und der Körper schüttet das Enzym Amylase aus. Dieses Enzym wandelt die Stärke in Zuckermoleküle um, die ihrerseits dem Körper als Energiequelle dienen. So läuft es beim Menschen ab. Angeblich beim Hund nicht? Doch, indirekt schon. Allerdings können Hunde die Getreidestärke nicht direkt verwerten, sondern nur verarbeitet, beispielsweise gekocht oder verarbeitet mit Druck und Wärme wie etwa Haferflocken. Auch beim Hund schüttet die Bauchspeicheldrüse zur Verdauung von Kohlenhydraten Amylase aus. So schreibt beispielsweise Prof. Jürgen Zentek, Autor des Standardwerkes „Ernährung des Hundes“ folgendes: „Der ausgewachsene Hund verfügt […] über eine hohe Kapazität für den Abbau von Stärke und ihren Teilstücken, so dass bis zu zwei Drittel der Gesamtfutterenergie in Form von Stärke zugeteilt werden können.“
Getreidealternative Leguminosen
Anstelle von Getreide enthalten inzwischen eine große Anzahl an Futtermitteln alternative Stärkequellen wie Erbsen, Bohnen und andere Leguminosen, also Hülsenfrüchte. Sie sind wesentlich reicher an Eiweißen und gleichzeitig stärkeärmer als Getreide. Im Hundefutter kommen am häufigsten Soja, Erbsen, Kichererbsen oder Linsen zum Einsatz. Damit sind sie eine gute Quelle für Proteine, aber auch für Ballaststoffe und Kohlenhydrate und liefern zudem wichtige Vitamine und Mineralstoffe liefern wie Kalzium, Eisen und Magnesium. Wegen des vergleichsweise hohen Proteingehaltes der Hülsenfrüchte ist in der Regel im Hundefutter dann weniger tierisches Protein enthalten halten ist, damit die Eiweißwerte nicht über den Bedarf hinaus gehen. Dies bedeutet: mehr pflanzliches Eiweiß, weniger tierisches, also auch weniger Fleisch.
Doch trotzdem scheinen Hülsenfrüchte im Futter keine schlechte Wahl zu sein, sollte man denken, wenn nicht inzwischen eine Verbindung zwischen der Fütterung von leguminosenhaltigen Futtermitteln und einer Erkrankung des Herzens angenommen werden müssten. Dabei handelt es sich die dilatative Kardiomyopathie, kurz DCM. Bei einer DCM erweitert sich der Herzmuskel, was dazu führt, dass es immer schwieriger wird, das sauerstoffangereicherte Blut auf der linken Herzkammer in den Organismus zu pumpen. Das führt zu einer Leistungsschwäche und kann lebensbedrohliche Ausmaße annehmen.
Symptome der dilatative Kardiomyopathie (DCM):
• allgemeine Leistungsschwäche
• Husten
• Atmung beschleunigt
• Blässe und blaue Schleimhäute
• erhöhte Herzfrequenz
Fütterungsassoziierte dilatative Kardiomyopathie
Dilatativen Kardiomyopathien sind bei einigen Rassen überdurchschnittlich häufig anzutreffen: Dobermann, Deutsche Dogge, Irish Wolfshound. Bei der Entstehung dieser Erkrankung bei diesen Rassen ist von einer genetischen Anlage auszugehen. Zwischen 2014 und 2019 wurden der amerikanischen Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Association) plötzlich überdurchschnittlich viele Fälle bei sonst nicht von DCM betroffenen Rassen, unter anderem Labrador oder Golden Retriever, gemeldet. Dies führte zu einer genaueren Betrachtung der Lebensumstände der betroffenen Tiere. „Von den insgesamt 560 betrachteten Fällen erhielten 452 Tiere ausschließlich Trockenfutter, 24 Tiere eine Mischung unterschiedlicher Fütterungsvarianten und 9 Hunde wurden gebarft. Bei der detaillierten Fütterungsanamnese fiel auf, dass über 90% der mit Trockenfutter ernährten Hunde ein „getreidefreies“ Trockenfutter erhielten, welches anstelle dessen Bohnen und Linsen als Stärketräger enthielt.“ (Quelle: Dr. Cornelia Rückert, LKS-Landwirtschaftliche Kommunikations- und Servicegesellschaft mbH, Link siehe Textende)
Die unerwünschte Konsequenz von mehr pflanzlichem und weniger tierischem Eiweiß im Futter
Trockenfutter mit Hülsenfrüchten enthält nur einen geringen Fleischanteil, da Erbsen und Bohnen oder andere verwendete Hülsenfrüchte bereits einen hohen Anteil an Proteinen enthalten. Aber nicht nur bei den Proteinen unterscheidet sich die Zusammensetzung von Hülsenfrüchten und Fleisch. Es gibt natürlich noch zahlreiche weitere, unter anderem auch eine, die möglicherweise ursächlich für die Entstehung einer DCM bei Hund ist. Hier kommen die Lektine ins Spiel, die über die leguminosenhaltige Fütterung in größerer Menge mit ausgenommen werden. Hierbei handelt es sich um komplexe Proteine, die der Pflanze als Abwehrstoff dienen. Diese Lektine, deren Schädlichkeit auch bei der Ernährung von uns Menschen immer wieder kontrovers diskutiert wird (Leaky-gut-Syndrom), greifen jedoch auch in die die Verstoffwechselung der Bausteine von Taurin ein und scheinen diesen Prozess zu blockieren. Aus den Aminosäuren Methionin und Cystein, beide ebenfalls in Fleisch und Fisch vorhanden, kann so nicht das wichtige Taurin synthetisiert werden. Taurin ist jedoch besonders wichtig für die gesunde Herzfunktion und ist im Herzmuskel in einer sehr hohen Konzentration im Herzmuskel vor.
Taurin: wichtig für die Gesundheit
Bei Katzen ist bereits seit vielen Jahren bekannt, dass es eine Verbindung zwischen der DCM und Taurin gibt. Allerdings können Katzen Taurin nicht selbst herstellen, sondern müssen es über das Futter zu sich nehmen. Bei Katzen, die zu wenig Taurin über das Futter erhielten, entstand häufig eine DCM. Wenn nun beim Hund, der eigentlich das Taurin selbst herstellt, einerseits durch Futter mit Hülsenfrüchten der Anteil des Fleisches und damit dem Methionin- und Cystein-Lieferanten reduziert wird und zweitens die Lektine die Taurin-Synthese blockieren, lässt sich nachvollziehen, warum kritisch über die leguminosenhaltige Fütterung nachgedacht werden sollte. Auch wenn sich die Wissenschaft noch nicht vollständig auf diesen Zusammenhang festlegen möchte, wäre es doch sinnvoll, Hunde nicht ausschließlich mit hülsenfruchthaltigem Futter zu ernähren. Außerdem ist Getreide nicht schädlich und kann im Normalfall (außer beim Vorleigen von beispielsweise einer Glutenunverträglichkeit) vom Hund gut verstoffwechselt werden.
Für alle, die den gesamten Beitrag von Dr. Cornelia Rückert lesen möchten: https://www.lkvsachsen.de/fuetterungsberater/blogbeitrag/artikel/fuetterungsassoziierte-dcm-beim-hund-was-ist-dran/
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