Der 6. Sinn

Propriozeption beim Hund

Hören, sehen, schmecken, fühlen, riechen – die Sinne. Doch es gibt noch einen weiteren, der meist unbeachtet bleibt, obwohl er von immenser Bedeutung ist: Der Sinn für die eigene Position im Raum, die Propriozeption oder Tiefensensibilität. Für Hunde – und natürlich auch für Menschen – ist dieser Sinn sehr wichtig, denn nur, wer sich sicher im Raum bewegen kann, also eine gute Körperwahrnehmung hat, ist in der Lage, Verletzungen, die durch unkoordinierte Bewegungen entstehen, zu vermeiden. Beständig werden Informationen über die Position von Kopf, Rumpf und Vorder- und Hinterläufen gesammelt, weitergeleitet und verarbeitet.

Anders als bei allen anderen Sinnen kommen hier die Signale aus dem Körper selbst und nicht von außen aus der Umwelt. Der 6. Sinn besteht aus zahlreichen Rezeptoren, die in den Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken sitzen und auf Druck oder Verformung reagieren und die Körperspannung wie auch Kraft und Geschwindigkeit registrieren. So erfassen beispielsweise die Muskelspindeln die Dehnung der Muskeln und die Golgi-Sehnenorgane die Muskelspannung. Über das Rückenmark gelangen die Signale ins Kleinhirn und in den somatosensorischen Cortex, den Bereich des Großhirns, der für haptische Empfindungen zuständig ist.

Ist die Signalweiterleitung gestört bzw. die Nervenbahnen zerstört, sind koordinierte Bewegungen kaum noch möglich. Ursachen hierfür können neurologische Erkrankungen des Rückens sein wie etwa Spondylose, das Cauda Equina Kompressions-Syndrom oder ein Bandscheibenvorfall. Auch andere Erkrankungen des Bewegungsapparates wie HD oder ED und die im Verlauf der Jahre entstehenden Knochenzubildungen, die sogenannten Osteophyten, mit denen der Körper versucht, Stabilität im Gelenk zu erzielen, können zu Schädigungen im Bereich der Signalweiterleitung führen. Natürlich können auch Verletzungen aller Art, stumpfe oder offene Traumen, Ursache einer gestörten propriozeptiven Wahrnehmung sein.

Woran lässt sich feststellen, dass die propriozeptive Wahrnehmung gestört ist?

Symptome einer unzureichenden oder gestörten Tiefenwahrnehmung können häufige Verletzungen des Tieres sein. Ein oftmals auftretendes Verfehlen von Treppenstufen oder ein häufiges Anecken an Mauervorsprüngen können Anzeichen einer schlechten Tiefensensibilität sein. Auch das Überköten, also das Umschlagen einer Pfote durch eine krankhafte Beugung der Zehengelenke, ist ein sicheres Anzeichen für eine Schädigung der Signalleitung des propriozeptiven Systems.

Wie kann eine gute oder verbesserte Propriozeption trainiert werden?

Das erfreuliche ist, dass Hunde in der Regel gerne mitarbeiten, wenn es darum geht, ihre Tiefenwahrnehmung zu verbessern. Auch lassen sich Übungen dieser Art gut in den Alltag integrieren oder können auch im Rahmen von Kuscheleinheiten eingebaut werden.

Unterschiedliche Untergründe:

Den Hund langsam und mit bewussten Bewegungen über unterschiedliche Untergründe zu führen, ist ein gutes Training für die Propriozeption. Dies kann auf dem Gassigang erfolgen oder auch Zuhause. Ob die Straße mit Kopfsteinplaster als Trainingsgrund genutzt wird oder ein Gang querfeldein über Wiese oder durch den Wald gemacht macht oder, ob Zuhause ein kleiner Trainingsparcour mit unterschiedlichen Untergründen aufgebaut wird, ist dabei egal. Jedes Training dieser Art wirkt!

Wackelige Untergründe:

Wer eine Luftmatratze besitzt, kann seinen Hund langsam daran gewöhnen, sich dort hinaufzustellen. Anfangs vielleicht nur mit den Vorderpfoten, nach etwas Training auch mit Vorder- und Hinterläufen. Natürlich sind auch ein Wackelbrett oder ein aufblasbares Trainingskissen super, um die Tiefensensibilität zu schulen.

Für ein effektives Training ist es wichtig, den Allgemeinzustand und die Leistungsfähigkeit des Hundes zu beachten. Einfach drauflos zu trainieren, ist nicht sinnvoll. Führen Sie Ihren Hund in Ruhe an die für ihn neuen Bewegungen heran. Grundsätzlich sollen alle Übungen für die Verbesserung der Propriozeption langsam ausgeführt werden.

Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie annehmen, dass Ihr Hund von einem derartigen Training profitieren würde.